Auf den (Ton)Spuren der Hörfunk-PR

Spuren

Seit ungefähr einem Vierteljahrhundert gibt es in Deutschland auf Radio-PR spezialisierte Dienst­leister. Sie bieten privaten Radiosendern kostenlos fertig gebaute Audiobeiträge an, um im Kundenauftrag bestimmte redaktionelle Inhalte zu transportieren. Früher produzierten die Agen­turen ihre Beiträge für jeden einzelnen  Radiosender auf analogen Bandmaschinen. Auf der guten, alten Revox wurden fleißig in 19er oder 38er Geschwindigkeit mit Gelb,- Rot- und Blauband Bobbys umwickelt (Das Studio sah aus wie eine Karnevalshochburg) und dann postalisch an die interessierten Adressaten verschickt. Später folgten andere Tonträger wie DATs, Mini-Discs und CDs. Die Produktion der Beiträge dauerte viele Stunden, bis der Redakteur schließlich die Audio-Pressemitteilung in seinen Händen hielt.

Sicher, auch damals schon gab es Ansätze, wie die Redaktionen aktueller beliefert werden können. Aber das war sehr aufwendig! Ein Beispiel: Die Berichterstattung von Sport-Events in den 1990er Jahren wie z.B. der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft oder dem Internationalen Tourenwagen-Cup (ITC), an die ich mich noch sehr gut erinnere. Da stand man mit einem umgebauten Ü-Wagen auf einer Rennstrecke (Nürburgring, Singen oder Berliner Avus), bestückt mit mehreren Bandmaschinen und besorgte sich einen mobilen ISDN-Anschluss, der von einem Techniker in den Ü-Wagen verlegt wurde. Kurz nach dem Rennen wurde der produzierte Beitrag dann direkt in die Sender überspielt, per Telefon in entsprechender Qualität. Einer nach dem anderen kam dran und um Zeit zu sparen, hieß es oft: „Hey, wir schalten Euch live auf Sendung. Das geht dann fixer und die anderen sollen ja auch noch dran kommen.“

Diese alten Übertragungswege haben dank des Internets und mp3 längst ausgedient. Heute können sich Agenturen und Redaktionen in wenigen Minuten erreichen! Man braucht eine technische Grundausstattung, einen ruhigen Raum, einen schnellen Anschluss ans Netz und stresserprobte Redakteure. Unser letzter Gig in diesem Zusammenhang war der 20. Deutsche Bankentag in Berlin, auf dem Wirtschafts- und Politikgrößen wie der Bundespräsident, der Bundesfinanzminister, der Bundesbankpräsident und der Präsident des Bankenverbandes zu Wort kamen. Unsere Aufgabe: den Redaktionen mit einem Zeitversatz von ein bis zwei Stunden interessante Berichte mit O-Tönen zu liefern. Bei mehreren Beiträgen pro Tag fühlte man sich wie auf einer Rennstrecke, allerdings dieses Mal in einem Porsche und nicht in einem Ü-Wagen sitzend, denn für mich und meine Mit­streiterinnen war es wieder eine echte redaktionelle Herausforderung, die unglaublich viel Spaß machte. Zumal es ja mit den reinen O-Ton-Berichten heutzutage nicht mehr getan ist. Da wird zeitgleich getwittert, gefacebooked und so weiter.

Die Anforderungen dieser PR-Disziplin haben sich in den letzten Jahren sehr geändert. Auch wenn es manchmal den Anschein hat, als würde es nur noch den PR-Beitrag zum „Tag der Jogginghose“ geben. Die Hörfunk-PR hat Chancen, sich weiterzuentwickeln. Sie kann z.B. wie eine Hörfunk­pressestelle fungieren, aktuell und technisch einwandfrei Redaktionen Audiomaterial aus erster Hand bieten. Stellen Sie sich vor, Sie finden ein Team, das jetzt vor Ort zur WM den Redaktionen bunte Beiträge abseits des Fußballs liefert. Oder auch von Olympischen Spielen. Ist hier nicht ein Mehrwert für beide Seiten erkennbar? Ich meine ja.

Autor: Michael Scheidel

Nachtrag: Übrigens: Die ersten auf Radio-PR spezialisierten Agenturen gründeten sich bereits Ende der 1980iger Jahre und nicht später, wie mitunter behauptet wird. Dazu zählten z.B. HFN Kommunikation (Burgwedel), Schlenker-PR (Stuttgart) oder auch PublicRadio (Bad Honnef).

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert