Netzradio: Über die Reichweiten der One-Man-Shows im Internet

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Seit 2009 werden die Sender, die regelmäßig im Netz funken, wissenschaftlich untersucht. Angefangen hat damit die Bayrische Landeszentrale für Neue Medien (BLM), die feststellte, dass es vor sechs Jahren etwa 1.900 Audioangebote im Internet gab, die von ihren Hörern im Schnitt 73 Minuten am Tag gehört wurden. Damals sorgten „Online Only“-Sender wie RNM Schlagerhölle oder Cafe80sFM für Furore. Das sind Sender, die ausschließlich im Netz zu hören sind. In der Spitze zählten sie im Schnitt jeden Tag bis zu 40.000 Zugriffe. Radio Salü kam seinerzeit auf beschauliche 4.000 Zugriffe!

Deshalb prognostizierte man diesen Radiomachern eine rosige Zukunft. Viele sahen im „Netzradio“ ein enormes Wachstumspotential und auch etliche Vorteile bei der Vermarktung gegenüber den UKW-Sendern, weil sie durch ihre musikalische Spezialisierung geringere Streuverluste aufzuweisen hätten. Schließlich könnten Webradios ihre Zielgruppe eindeutiger differenzieren und die werbetreibende Wirtschaft dadurch ihr Budget effizienter einsetzen, so die Argumentation. Dass der Boom ausgeblieben ist, heute wissen wir es. Und dass die Etablierten zu den erfolgreichsten Online-Anbietern im Markt zählen, wird auch von den Auswertungen der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse, kurz Agma, bestätigt.

Bis Ende 2013 sank die Zahl der Audioangebote im Netz von knapp über 3.000 um sieben Prozent. Sehr viele der Online Only-Sender mussten ihre Segel streichen, weil ihre Geschäftsmodelle einfach nicht tragfähig waren. In den Befragungen klagten die One-Man-Shows zudem oft über zu hohe GEMA-Gebühren und zu geringe finanzielle Unterstützung durch die Landesmedienanstalten. Außerdem hatten die UKW-Sender längst nachgerüstet und Spartenkanäle ins Netz gestellt. Das heißt, einerseits streamten sie ihr Programm eins zu eins. Andererseits boten sie ihren Hörern Kanäle mit unterschiedlichen Musikrichtungen an. Beispiel: Das „normale“ Antenne Bayern kann als Mainstream empfangen werden. Oder aber auch mit den Kulthits der 80er, garniert mit den programmspezifischen redaktionellen Inhalten des Senders. Ebenfalls im Markt tummeln sich zurzeit große Anbieter von Musikdaten­banken wie Spotify oder Soundcloud, die um das audioaffine Publikum buhlen und die anfängliche Vielfalt der privaten Webradios ein wenig harmonisiert haben.

Die letzte Studie der BLM aus dem Jahr 2014 zeigt jetzt, dass es 2.021 Audiodienste im Internet gibt, und dass mit 85 % die Online Only-Anbieter nach wie vor die Mehrheit bilden. Auch, weil immer wieder junge, mutige Programme und Dienste nachrücken, die ihr Glück versuchen. Doch klar ist auch: Zu den Platzhirschen im Internet wie auf der Ultra-Kurz-Welle zählen Antenne Bayern oder Hit Radio FFH. Die Bayern schaffen 4,8 Millionen Sessions pro Monat, die Hessen verzeichnen 2,9 Millionen Sessions. Dabei dauert eine Session im Schnitt eine Stunde und 18 Minuten. Über­raschend ist aber aus meiner Sicht, dass einige wenige Online Only-Anbieter mit den bekannten Größen durchaus mithalten können. „RauteMusik“ z.B. wird 3,4 Millionen Mal im Monat gestreamt.  Und das junge Kulturradio „detektor.fm“ kommt auf 72.716 Sessions im Monat. Beachtlich, wie ich finde.

Wer diese Zahlen nun jedoch in die harte Radio-Währung umrechnet, dürfte nicht weniger über­rascht sein. „RauteMusik“ mit seinen mehr als 20 Programmen erzielt eine Tagesreichweite von 113.000 Hörern. Das entspricht einer Nettoreichweite von geschätzten 10.000 Hörern pro Stunde. Zur Einordnung: Radio Charivari in Rosenheim hat einen vergleichbaren Wert aufzuweisen. Bei detektor.fm dürfte die Reichweite bei deutlich unter 1.000 Hörern pro Stunde liegen.

Insofern ist trotz dieser beiden Erfolgsgeschichten festzuhalten: 98 % der Online Only-Anbieter, der reinen Internetradios, haben einfach noch nicht die werberelevante Reichweite. Und genau deshalb ist zu befürchten, dass vom prophezeiten Wachstum der In-Stream-Audio-Werbung um 111 % auf 137 Millionen Euro die kleineren Anbieter wohl weniger profitieren werden.

Autor: Michael Scheidel / Fotolia: frank peters

Link: Zu den Leistungswerten aller Online-Audio-Angebote.

Weitester Hörerkreis, Stammhörer & Co.: Die wichtigsten Radio-Reichweiten im Überblick

Schon gewusst? Die Radio-Reichweiten im Überblick

Stundenreichweite, weitester Hörerkreis, Tagesreichweite: Manchmal ist es gar nicht so einfach, beim Zahlensalat im Radio den Durchblick zu behalten. Gerade wer noch nie Kontakt mit Radio-PR hatte, wird sich vielleicht fragen, was die Zahlen eigentlich zu bedeuten haben. Deshalb gibt es hier nun eine kleine Übersicht zu den Reichweiten im Hörfunk.

1. Die Technische Reichweite: Damit wird angegeben, wie viele Hörer ein Sender theoretisch im Sendegebiet erreichen kann.

2. Der weiteste Hörerkreis: Dazu zählen alle Personen, die angeben, einen speziellen Sender innerhalb der letzten 14 Tage gehört zu haben.

3. Stammhörer: Dieser Messwert umfasst den Anteil der Bevölkerung ab 14 Jahren im Sendegebiet, der das jeweilige Programm (Sender) an mindestens vier von sieben Tagen der Woche hört.

4. Die Tagesreichweite: Statt Tagesreichweite wird auch oft der Begriff „echte Hörer gestern“ angegeben. Dazu zählen alle Hörer, die im Tagesablauf während mindestens eines vorgegebenen Zeitabschnitts (15 Minuten) Radio gehört haben.

5. Die Nettostundenreichweite: Sie ist die wohl wichtigste Angabe. Denn zur Nettostundenreichweite zählt die Hörerschaft, die pro Sendetag in einem bestimmten Zeitabschnitt „eine Stunde“ Radio hört, also tatsächlich ihr Ohr durchgehend am Lautsprecher hat. Dieser Wert variiert im Laufe eines Tages. Beispiel: In der Prime-Time zwischen 7 und 8 Uhr hat ein Sender eine Nettostundenreichweite von 1,0 Mio. Hörer. Um 17 Uhr jedoch können dies weniger als die Hälfte, also nur noch 400.000 Hörer, sein! Im Schnitt aber – also auf die Zeit von 6 bis 18 Uhr – hat der Sender z.B. 750.000 echte Hörer pro durchschnittliche Stunde. Dieser Durchschnittswert ist die genaueste Angabe, die etwa 4/5 der deutschen Hörfunksender ebenfalls zu den Tagesreichweiten und anderen Daten angeben. Er ist vergleichbar mit der Einschaltquote im TV und wird auch „echte Hörer pro Stunde“ genannt.

Autorin: Iris Mohr; Foto: frogarts – Fotolia