„Podcasts waren eigentlich ein totes Thema im deutschen Markt. In den späten 2000er Jahren boomten die Audio-Konserven kurze Zeit, um dann in der Versenkung zu verschwinden. Doch jetzt erfährt dieser Markt einen ungeahnten Aufschwung.“ So beginnt der lesenswerte Artikel von Guido Schneider auf dem Branchenportal kress.de und dies ruft Erinnerungen wach.
Im Jahre 2003, als das Internet für viele noch ein Experimentierfeld war und das 56k-Modem gerade vom Markt zu verschwinden „drohte“, gründeten wir als Radio-PR-Anbieter das Podcastportal SoundFacts, auf dem alle Audioproduktionen der Agentur dem Verbraucher zugänglich gemacht wurden. Man konnte sich sein eigenes Radio nach speziellen Rubriken zusammenstellen, denn der Anfangsbestand der mp3-Tankstelle wuchs von wenigen hundert innerhalb von fünf Jahren auf 3.800 Audio-Produktionen an. Im Schnitt verzeichnete das Portal über 50.000 Downloads pro Monat, am 15. August 2008 wurde die 2.000.000 Hörer-Grenze geknackt. Ohne Facebook-Werbung! Einzig und allein iTunes und die aktive Suche nach Audio-Dateien im Netz durch den User verhalf uns zu diesem Erfolg. Das Angebot reichte von kurzen kuriosen Meldungen über Servicebeiträge mit O-Tönen, politische Interviews und komplette Podcastserien, die den Verbraucher z.B. darüber informierten, wie unsere Wirtschaft funktioniert.
Es dauerte dann ein paar Jahre nach unserem Start, bis dann auch immer mehr Unternehmen und Verbände Podcasts für ihre Unternehmenskommunikation nutzten, um direkter ihre Zielgruppen erreichen zu können. Der Erfolg war nach meiner Beobachtung recht dürftig, denn Vielen gingen irgendwann die Themen aus und auch an der Vermarktung haperte es mitunter. Aber es war ein regelrechter Hype und es wurde recht schnell sogar ein Podcastverband gegründet, der darüber befand, ob PR in diesem Bereich überhaupt erlaubt sei oder nicht. Eigentlich wollten die Podcaster unter sich sein und keine professionellen Dienstleister im Netz haben. Und erst recht keinen verdächtigen PR-Content, der das Netz beschmutzt.
Schnell tauchten sogar Firmen auf, die Podcasts professionell vermarkten wollten und sich darum kümmerten, Werbepartner zu finden. Der Werbepartner suchte sich seinen Podcast, bei dem Reichweite und Konzept stimmte, aus und der Vermarkter bezahlte den „Podcaster“ pro Klick bzw. Download. Viel kam für den Podcaster damals allerdings nicht zusammen und flugs verschwand dieses Modell auch wieder.
Und wie sieht es heute aus? Erlebt Deutschland tatsächlich einen zweiten Podcast-Boom? Wird es ausreichen, dass 15 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren nach Angaben des Autors wöchentlich Podcasts hören, sprich 7,5 Millionen Nutzer? Und wird dadurch tatsächlich bei der Podcast-Vermarktung neue Fahrt aufgenommen?
Nun, ich glaube, die Reichweite der Podcasts wird letztlich entscheiden, ob sich eine Vermarktung wirklich lohnt und hier muss natürlich der Podcaster selbst erst einmal mitspielen. Wenig bekannt ist nämlich darüber, ob Werbung in Podcasts vom Nutzer überhaupt akzeptiert wird. Allerdings, und das bleibt festzuhalten, gibt es in der Tat bestimmte Podcasts mit erstaunlichen Reichweiten. Der Politik-Podcast zur „Lage der Nation“ erzielt nach eigenen Angaben pro Folge eine fast sechsstellige Hörerzahl. Und der Podcast Sexvergnügen z.B. schafft pro Folge im Schnitt beachtliche 80.000 Hörer!
Insofern bieten spezielle Podcasts sicher Vermarktungspotenzial. Die beiden Vermarkter AS&S Radio und RMS haben gerade angekündigt, dieses Feld ausbauen zu wollen. Die AS&S sieht sich dabei nach eigenen Angaben als Qualitätsvermarkter und will sich nur um profilierte Podcast-Marken für den Werbemarkt kümmern, wie das Berliner Podcast-Label Viertausendhertz beispielsweise. Ihnen geht es darum, native Werbeformen in Podcasts zu integrieren. Das heißt, die Werbung wird an das redaktionelle Umfeld des Podcasts angepasst.
Die RMS geht darüber hinaus noch einen anderen Weg, der dem ähnelt, wie er Mitte der 2000er Jahre praktiziert wurde. Sie setzt zusätzlich auf eine automatisierte Vermarktungsstrategie. Das heißt, Audiospots werden über einen Server als Pre-Stream, also bevor der eigentliche Podcast beginnt, ausgespielt. Und Sie setzt auf die klassischen Podcasts der Radiosender, die sie als Vermarkter bereits in ihrem Portefolio haben.
Ob und welche Strategie sich durchsetzen wird, darauf darf man durchaus gespannt sein. Ich glaube aber wie gesagt, dass es vielmehr noch etliche Podcasts braucht, die über eine medienrelevante Reichweite verfügen. Und ob es sich schließlich wirklich um einen zweiten Podcast-Boom in Deutschland handeln wird, muss sich meines Erachtens erst noch beweisen!
Übrigens: Unseren Podcast zu verschiedenen Themen finden Sie unter www.podcast-office.de
Autor: Michael Scheidel / Fotolia