Radio und Social Media – die erfolgreichsten Sender im Netz

radio und social media

Für Radiosender ist es die wichtigste Zahl: Die Hörerreichweite. Und welche Rolle spielen heutzutage Likes, Follower und Retweets in den sozialen Netzwerken? Sicher auch eine wichtige. Schließlich kann sich kaum ein Sender noch Facebook und Twitter entziehen – große Stationen warten sogar mit eigenen Social-Media-Teams auf. Aber wer hat die meisten Fans? Bedeutet eine große Reichweite des Senders auch gleichzeitig eine große Anzahl an Likes in puncto Social Media?

Mit dem Tool „Social Media Charts der Radiosender” des Radioportals radioszene.de kann genau das überprüft werden. Jeden Tag werden dort 566 deutschsprachige Sender aus Deutschland, der Schweiz und Österreich im Hinblick auf ihre Social-Media-Aktivitäten analysiert. Ich möchte mich aber zunächst einmal nur auf die Sender aus Deutschland konzentrieren. Die Senderlandschaft in Österreich und der Schweiz wird in nächster Zeit sicher noch einmal gesondert in einem Artikel berücksichtigt.

Auf Platz eins der deutschsprachigen Sender mit den meisten Facebook-Fans liegt derzeit (Stand 27. März 2015) Antenne Bayern mit 460.588 Gefällt-mir-Angaben. Platz zwei belegt die Jugendwelle 1Live mit 415.796 Likes. Es folgen bigFM (349.654), sunshine live (347.226) und Deluxe Radio (298.694). Die ersten fünf Plätze teilen sich also vier private und ein öffentlich-rechtlicher Sender. Aber welche Zielgruppen haben die Sender und um welche Formate handelt es sich? Wie bereits erwähnt handelt es sich bei 1Live um eine Jugendwelle, die aktuelle Charts (Contemporary Hit Radio) für die jüngere Hörerschaft der 14- bis 39-Jährigen spielt. Gleiches gilt für bigFM und hinsichtlich der Zielgruppe auch für sunshine live. Musikalisch wird beim Viertplatzierten aber auf Dance, House und Techno gesetzt. Deluxe Radio, das hauptsächlich via Livestream empfangen wird, richtet sich an eine etwas ältere Zielgruppe  (25 bis 54) und sendet ohne Moderation Jazz, Soul und Chillout-Musik. Der Spitzenreiter in Sachen Facebook-Fans, Antenne Bayern, spielt das klassische AC-Format für die 24- bis 49-Jährigen. Mich persönlich hat es erstaunt, dass mit Deluxe Radio ein Sender, der ohne Wortanteil und UKW-Frequenz auskommt, in den Top 5 der Facebook-Fans gelistet ist. Das macht wohl noch einmal deutlich, welche Rolle Webradios inzwischen spielen. Nicht ohne Grund werden im Zuge der Media-Analyse nun auch die Webradios zwei Mal jährlich unter die Lupe genommen .

Sehen wir uns die Reichweiten der Sender an, und zwar ganz genau die Stundenreichweiten, dann fällt auf, dass die Reihenfolge bei der Anzahl der Facebook-Fans genau der Reihenfolge der jeweiligen Stundenreichweiten entspricht. Das heißt: Antenne Bayern kann mit der größten Hörerzahl pro Stunde (1.397.000 Mio / Stand ma Radio I 2015) auch gleichzeitig die meisten Likes bei Facebook vorweisen. Es folgen 1Live, bigFM und sunshine live. Deluxe Radio bleibt an dieser Stelle außen vor, da keine Informationen zur Stundenreichweite vorliegen.

Bei dem Kurznachrichtendienst Twitter sieht die Sache allerdings anders aus. Hier finden wir den Sender 1Live auf dem ersten Platz mit 176.192 Followern (Stand 27.03.2015). Von den übrigen Top 5 Sendern mit den meisten Facebook-Fans taucht in der Top-5-Liste von Twitter keiner mehr auf. Stattdessen folgen auf Platz zwei SWR3 mit 77.287, Deutschlandradio Kultur mit 51.990, Deutschlandfunk mit 49.349 und NJOY mit 45.915 Followern. Vergleicht man die Anzahl der Follower mit der Stundenreichweite der Sender, ergibt sich folgendes Bild: Der erstplatzierte Sender 1Live erreicht laut aktueller ma Radio I 1.076.000 Millionen Hörer pro Stunde. SWR hat mit 1.123.000 Millionen dagegen eine höhere Stundenreichweite. Deutschlandradio Kultur weist mit aktuell  460.000 Hörern  die geringste Reichweite auf, Deutschlandfunk mit 1.650.000 hingegen die höchste. NJOY liegt – bei Twitter auf Platz fünf – mit 1.380.000 Millionen noch vor dem erstplatzierten Sender 1Live.

Folgendes können wir also festhalten: Zumindest bei Facebook scheint die Zahl der Fans mit der Hörerreichweite in einem Zusammenhang zu stehen. Zumindest für die Top-5-Sender gilt: Je größer die Stundenreichweite, desto höher ist die Anzahl der Gefällt-mir-Angaben bei Facebook. Bei Twitter spielt die Reichweite offenbar keine Rolle für die Anzahl der Follower. Auf den ersten fünf Plätzen finden sich sowohl sehr reichweitenstarke Sender als auch solche, die eine geringere Reichweite aufweisen. Selbstverständlich kann man nicht davon ausgehen, dass beispielsweise alle Facebook-Fans von Antenne Bayern auch jeden einzelnen Post lesen, kommentieren oder teilen. Aber selbst wenn nur die Hälfte mit einem Eintrag erreicht wird, dann sprechen wir immer noch über etwa 200.000 Menschen – und das entspricht ungefähr der Stundenreichweite von RPR1.

Autorin: Iris Mohr

Radio-PR in Zeiten des Content Marketing

Webseite_3Ein Interview mit Sebastian Hesse, Kommunikationsberater in Berlin

Sebastian, Sie sind seit über 10 Jahren in PR und Marketingkommunikation aktiv. Hat sich die Bedeutung des Radios für die Öffentlichkeitsarbeit gewandelt?

Ich denke schon. Natürlich lag die tägliche Radiohördauer im Jahr 2000 noch über dem heutigen Niveau. Es lässt sich aber feststellen, dass Radio vor allem bei jungen Menschen und in der älteren Generation einen wichtigen Stellenwert hat. Auch wenn man die Tagesreichweiten betrachtet ergeben sich spannende Schlussfolgerungen für die Kommunikation. Radio ist ein absolutes Morgen-Medium. Für die PR hat Radio an Bedeutung wieder zugenommen, denn es lassen sich sehr gezielt Themen lancieren, die in anderen Medienkanälen nicht so effektiv die Zielgruppe erreichen. Außerdem habe ich den Eindruck, dass Radio – obwohl es als „Nebenbeimedium“ gilt – vor allem mit guten Informationen bei den Zielgruppen punkten kann. Insofern ist das Radio vor allem bei Verbraucher- und Ratgeberthemen ein wichtiger Baustein im Kommunikationsmix.

„Content Marketing“ bewegt die Gemüter in Kommunikationsabteilungen und Agenturen. Welchen Stellenwert hat Radio-PR gegenüber dem Content Marketing?

Mit Content Marketing versuchen Unternehmen Expertenstatus zu erlangen, indem zielgruppenrelevante Informationen aufbereitet und verbreitet werden. Das Content Marketing fokussiert auf eigene Medienkanäle. Insofern grenzt es sich von Radio-PR ab. Ich würde Radio-PR aber durchaus als möglichen Teil des Content Marketing unter der Voraussetzung sehen, dass relevante, informative Inhalte dem Hörer geboten werden.

In welchen Fällen empfehlen Sie Ihren Kunden Radio-PR?

Immer dann, wenn aus der Marke oder dem Produkt ein informativer Aufhänger gezogen werden kann, der zum Radiohörer passt. Sehr erfolgreich waren wir zum Beispiel mit einem Radio-PR-Beitrag über umweltfreundlich hergestellte Kindermode – ein Thema das Aktualität hat und viele Eltern beschäftigt. In dem Beitrag ging es darum, Hinweise zu geben, worauf Eltern achten sollten, wenn ihnen Produktionsprozesse und Herkunft der Kindermode wichtig sind. Der Kunde konnte sich damit als Experte positionieren und seine Reputation bei der Zielgruppe steigern.

Wann greifen Sie auf die Unterstützung einer Spezialagentur wie RadioOffice zurück?

Grundsätzlich kann man Radio-PR natürlich auch ohne Spezialagentur angehen. Das halte ich aber nur dann für sinnvoll, wenn der Kunde ein deutliches Budget zur Verfügung stellt und eine Radio-Aktion mit einem einzelnen Sender als Medienpartner geplant ist. Wenn es darum geht, selbst einen Radiobeitrag zu entwickeln und zu produzieren, halte ich eine Spezialagentur nicht nur hinsichtlich Produktion und Verbreitung für effizienter, sondern auch professioneller. Ein guter Berater weiß, was er nicht kann. Die inhaltlichen Nuancen eines Radiobeitrags und dessen Verbreitung gehören für mich dazu.

Welche Kriterien muss eine Spezialagentur für Radio-PR erfüllen?

Für mich zählen knackige Ideen und gute Inhalte immer mehr als gute Kontakte. Wer glaubt, mit einer lahmen Story einen Redakteur begeistern zu können, nur weil man sich zwei mal auf einem Medienevent oder beim Mittagessen getroffen hat, arbeitet unprofessionell. Das ist nicht anders, wenn man dem eng befreundeten Chefredakteur ständig Mist anbietet. Und das gilt auch fürs Radio.

Eine Spezialagentur muss mitdenken können und – bevor es an die Verbreitung geht – gute Hinweise liefern, welche möglichen Inhalte in welcher Form produziert werden sollten. Die Spezialagentur muss wissen, was die Radiosender und ihre Hörer erwarten. Deshalb achte ich vor allem auf die Kriterien Kreativität, Konzeptionsstärke, Beratung und professionelle Umsetzung in der Produktion.

Das Interview führte Michael Scheidel.

Sebastian Hesse ist PR-Berater und Kommunikationsmanager mit über 10 Jahren Erfahrung in Unternehmens-, Lifestyle- und Markenkommunikation. Nach seinem Studium der Kommunikationswissenschaft an der Universität Erfurt arbeitete er über 5 Jahre im Büro der renommierten Agentur Weber Shandwick und beriet Unternehmen sowie Kunden der öffentlichen Hand. Nach einer Zwischenstation als Pressesprecher für das Berliner World Peace Festival im Jahr 2011, gründete er sein eigenes Büro für Kommunikation unter dem Namen Big Bang & Whisper in Berlin. bigbangandwhisper

Gastbeitrag von Radio Bonn/RS-Redakteur Antonius Nolden: SocialMedia im Radio

Network in cut out letters on a cork board

„Dem Nachrichtenredakteur ist auf dem Weg zur Arbeit dieses süße Wollknäuel zugelaufen. Wer kann helfen, den Hund zu seinen Lieben zurück zu bringen?“

Schnell ein Bild des Ausreißers auf Facebook gepostet, in der laufenden Sendung die Geschichte erzählt und auf das Foto online hingewiesen. Am Ende konnte „Puma“ seinem Frauchen und dem glücklichen Sohn zurück gegeben werden. Mehr als 250 Fans des Senders „gefiel das“, ähnlich viele hatten den Suchaufruf im Internet geteilt und damit verbreitet. Ohne viel Aufwand hatte das Nachmittagsteam in nur wenigen Minuten eine Geschichte, die sowohl im Radio als auch online funktionierte. Die Facebooker waren Bestandteil bei der Entwicklung der „Story“, sie hatten sie zum Happy End gebracht.

Zugegeben: Tiere und Kinder funktionieren immer, egal ob in der Zeitung, im Radio, im Fernsehen oder im Internet. Doch zeigt diese Episode auch, wie das Thema „Social Media“ einen Radiosender und sein Programm bereichern kann. Denn der Hörer ist nicht nur zum passiven Zuhören verdammt. Er fragt sich nicht: „Geht das gut aus?“ Er sagt sich: „Ich sorge dafür, dass es gut ausgeht!“

Radio Bonn/Rhein-Sieg setzt sehr stark auf die neuen Medien, vor allem auf Facebook. Mehr als 21.000 Hörern gefällt die Seite, und das sind unsere „Stammhörer“. Sie hören uns nicht nur, weil sie wissen wollen, wo im Moment Stau ist, welcher Bürgermeister mit dem Rücktritt liebäugelt, oder ob die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst schon wieder streiken und morgen früh keine Bahnen und Busse fahren. Sie hören uns, weil wir „ihr“ Lokalsender sind, und sie wollen an unserem Programm teilhaben, so wie wir an ihrem Leben teilhaben wollen. Über Facebook sind die Hörer nicht nur dabei, sondern mittendrin.

Die eben beschriebene Geschichte entstand spontan, dem Nachrichtenredakteur ist tatsächlich ein Hund zugelaufen. Facebook ist aber auch die Plattform für die politische oder gesellschaftliche Meinungsäußerung. Macht es Sinn, dass die Stadt Bonn ein neues Konzerthaus baut? Wie komme ich zur Arbeit, wenn im Sommer die Nordbrücke saniert wird? Was unternehme ich am nächsten Wochenende, wenn das Wetter schön ist? Der Hörer kann mitreden, persönliche Ausflugstipps geben, „denen da oben“ auch mal die Meinung geigen. Der Hörer beteiligt sich, er berichtet aus seiner Lebensperspektive, aus seinem Umfeld. Im Umkehrschluss heißt das für uns Radiomacher aber auch, dass wir unsere Hörer besser kennen lernen und erfahren, was sie interessiert und was nicht.

An dieser Stelle muss aber auch gesagt werden, dass Postings niemals sich selbst überlassen werden dürfen. Der Moderator muss auch online moderieren. Er muss die Kommentatoren begleiten und ihnen antworten, als säßen wir alle real beisammen und diskutierten. Besonders bei „harten“ und faktenreichen Themen kann das sonst schnell etwas unübersichtlich werden.

Facebook, Twitter und Co. ist jedoch kein Ersatz fürs Hören. Das sollten Radiomacher immer bedenken. Social Media kann eine sinnvolle Ergänzung zum Radioprogramm sein. Nicht jeder will zum kontroversen Thema mal schnell anrufen und seine Meinung äußern. Nicht jeder kann aus Zeitgründen auch on air geschaltet werden. Über Facebook aber kann er dabei sein, genau so als säße er in der Redaktion, in der Pressekonferenz, beim Hintergrundgespräch. Er gehört zum Team, zur Familie, und das ist Hörerbindung, wie sie besser nicht sein könnte.

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Antonius Nolden ist Nachrichtenredakteur bei Radio Bonn/RS.

 

 

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