Der ASAP-Kunde

Sie schreiben auch gerne Angebote und Konzepte? Am liebsten crossmedial im Multitasking-Stil, für umme, freitagsmorgens (Abgabetermin bis 17 Uhr), und, weil wir ja „Internationals“ sind, gerne auch bilingual? Ja klar, muss sein, schließlich ist der Kunde ja König! Machen wir!

Wir machen übrigens auch aus jedem Briefing etwas. Wenn z.B. geschrieben steht, „Hallo, wir möchten gerne ins Radio. Wir brauchen bis 15 Uhr eine Kalkulation!“ Dann sagen wir nicht huch, nein, nein, wir sagen logo, natürlich. „Ach ja, und wenn es Rückfragen gibt, erreichen Sie mich mobil unter … auch am Wochenende.“ Sicher. Da brauche ich Sie nicht anzurufen. Wozu denn auch?

Radio gibt es zum Einheitspreis. Egal, ob Sie einen Beitrag, eine Meldung, ein Gewinnspiel, einen O-Ton, ein Interview oder ein Infomercial wollen. Kostet alles dasselbe. Spielt auch keine Rolle, ob und wie oft der oder die Takes ausgestrahlt werden sollen. Oder ob es sich um Radio Donnersberg oder Antenne Bayern handelt … Völlig wurscht. Drei Euro fuffzig und fertig. Radio ist einfach, unkompliziert und nicht umsonst das schnellste Medium der Welt, ne.

Ebenfalls super. Stellen Sie sich vor, Sie schaffen es, das Konzept innerhalb eines Tages durchs WWW zu schicken und denken sich, hey, hab‘ ich anhand des Briefings doch toll hinbekommen. Da meldet sich bestimmt jemand und schreibt wenigstens ein kurzes „ist angekommen“. Und dann  … nichts. 14 Tage, 1 Monat. Sie machen sich Sorgen. Es sollte doch so dringend sein. Ist die E-Mail vielleicht verschluckt worden. Hab‘ ich sie auch wirklich abgesendet? Ja, steht unter „gesendete Objekte“.

Sie entschließen sich anzurufen. Und dann … der rund-um-die-Uhr-am-Wochenende-erreichbare-Kollege ist im Urlaub? Das kann doch nicht sein! Oder noch besser ist die Aussage: „Der Kunde hat sich noch nicht entschieden.“ Aber, hey, die Zeit drängte doch, denkst du dir. War ein Monat nicht genug Zeit zum Überlegen? Oder: „Sorry, aber wir haben uns für jemanden anderes entschieden. Der hat uns einen besseren Preis gemacht.“ Wie hat der das gemacht, denke ich mir, es gab doch keine Budgetvorgabe, geschweige denn ein detailliertes Briefing? Wir sollten doch erstmal nur ver­schiedene Umsetzungsvorschläge machen.

Toll sind auch Ausschreibungen. „Wir möchten gerne 10 mal pro Jahr ins Radio. Bitte er­stellen Sie uns einen Kostenplan inklusive CD-Versand. Sollten Sie mit dem Auto zu den Interviews fahren, gibt es 0,03 Cent pro Kilometer. Und seien Sie doch so nett und produzieren Sie uns ein paar Hörproben auf eigene Rechnung. Am besten zu einem vorgegebenen Thema mit ein paar O-Tönen von Experten, damit wir über­prüfen können, ob sie den „Eignungstest“ auch bestehen. Bewertet werden dann neben dem Preis noch die Arbeitsproben nach einem Punktesystem“ … Je mehr Points, desto besser. Klar. Null ist übrigens keine Leistung. Das heißt, da wird wohl tatsächlich damit gerechnet, dass jemand ein leeres Blatt abgibt?

Ach ja, wenn Sie Fragen haben, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung, heißt es in der Aus­schreibung. Letztenendes ist es allerdings häufig eher so, dass man sich freuen kann, wenn man innerhalb von zwölf Monaten überhaupt eine Rückmeldung erhält.

ASAP-Kunden hat es schon immer gegeben. Schade ist nur, dass der Umgang zwischen Kunde und Dienstleister immer schroffer wird, so meine Beobachtung. Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn gegenseitige Rücksichtnahme wieder deutlicher gelebt würde. Es muss kein Anruf sein, aber wenigstens eine E-Mail wäre ein Ansatz von Respekt gegenüber der erbrachten Vor(denk)leistung des Dienstleisters. Ein DANKE hilft dabei schon … besonders, wenn es mal wieder ASAP gehen muss.

Autor: Michael Scheidel

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